Immobilienfinanzmärkte —
Interessanter Einstiegszeitpunkt
Interview: Birgitt Wüst (erschienen in Immobilienbusiness 6/2024) / Bild: Gian Marco Castelberg
Dr. Paola Prioni leitet die Anlagestiftung Testina, die über Beteiligungen an Anlagefonds, Gesellschaften und anderen Körperschaften indirekte Immobilieninvestitionen im Ausland tätigt. Im Interview gibt sie Auskunft über die derzeitige Marktsituation und erklärt, welche Opportunitäten sie bei globalen Immobilienanlagen für institutionellen Schweizer Investoren sieht.
Frau Prioni, die Anlagestiftung Testina investiert weltweit in Immobilien. Wie haben sich die Zinswende und die in der Folge gestiegenen Finanzierungskosten auf die Investments der Testina ausgewirkt?
Eine sehr klare Frage – und die einfache Antwort ist leider negativ. Auch die Anlagestiftung Testina konnte sich der aktuellen Marktkorrektur nicht entziehen und es kam zu Bewertungskorrekturen auf den Portfolien. Strategische Positionierungen haben jedoch geholfen, gewisse negative Einflüsse einzugrenzen.
Das heisst konkret?
Einerseits haben Diversifikation und eine konservative Leverage-Strategie im Core-Anlagegefäss das Resultat positiv beeinflusst. Andererseits erwies sich das asiatische Teilportfolio als widerstandsfähig, hauptsächlich aufgrund seiner strategischen Fokussierung auf hochwertige Logistikliegenschaften in Japan und Australien.
Wie reagieren die Anleger und Anlegerinnen?
Unseren Anlegern und Anlegerinnen sind die Risiken, die Zyklizität und die Langfristigkeit von Immobilieninvestitionen sehr bewusst. Da sie einen langfristigen Blick auf die Immobilienmärkte haben, lassen sie sich von kurzfristigen Wertschwankungen in Bezug auf ihre strategische Ausrichtung nicht beeinflussen. Zudem ist ihnen sehr bewusst, dass die unterschiedliche Bewertungspraxis im Ausland – mark to market – in diesem illiquiden Marktumfeld zu steigenden Volatilitäten und stärkeren Preiskorrekturen geführt hat.
Mit welchen Partnern/Partnerinnen arbeiten Sie zusammen, um sich ein Bild über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die lokalen Gegebenheiten im jeweiligen Zielland eines geplanten Immobilieninvestments zu machen?
Das Testina-Investment-Team setzt sich aus hochqualifizierten Mitarbeitenden zusammen, die über fundiertes Fachwissen in den Bereichen Ökonomie und Immobilien verfügen und bestens gerüstet sind, um die internationalen Immobilienmärkte im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Geschehen zu verstehen und entsprechende Massnahmen für das Portfolio abzuleiten. Testina verfügt zudem weltweit über ein breites Netzwerk von Immobilienmanagern, Research-Spezialisten, Broker und so weiter, die einen guten Einblick in die jeweiligen Immobilienmärkte bieten.
Der hohe Abwertungsbedarf auf Renditeliegenschaften im Ausland bringt dort Projektentwickler und auch einige grosse Immobiliengefässe unter Zugzwang, sich frische Mittel zu beschaffen. Bietet dies aus Ihrer Sicht für eigenkapitalstarke Anleger und Anlegerinnen die Chance auf günstige Zukäufe?
In der Tat, im aktuellen Marktumfeld bieten sich verstärkt Möglichkeiten für sogenannte Sekundärmarkttransaktionen. Bestehende Portfolios – gute wie auch schlechte – werden zu Rabatten angeboten. Teilweise sind es Anleger wie die Limited Partners, die zum Verkauf gedrängt werden, doch auch die General Partners stehen unter Druck. Nur sehr gut informierte Anleger und Anlegerinnen können diesen Schritt wagen, denn dazu bedarf es erstens einer genauen Kenntnis dessen, was man kauft, und zweitens muss der Preis stimmen. Die Preisbestimmung in einem Marktumfeld mit niedrigem Transaktionsvolumen gestaltet sich als schwierige Aufgabe.
Kaufen Sie aktuell zu?
Die Anlagestiftung Testina hat 2022 eine neue Anlagegruppe in Value-add- und opportunistische Immobilienanlagen lanciert. Sie befindet sich derzeit im Portfolioaufbau und kann genau von dieser Marktsituation profitieren. So konnte sich die Anlagegruppe an einer europäischen Hostel-Plattform zu einem hohen Abschlag zum Marktwert beteiligen. Auch im Core-Segment eröffnen sich Möglichkeiten: In der zweiten Jahreshälfte planen wir die Einführung einer neuen Anlagegruppe mit einer rein indirekten globalen Core-Anlagestrategie. Ihr Portfolioaufbau wird vom einem vielversprechenden Einstiegspunkt profitieren.
So bieten sich derzeit gute Chancen?
Die wichtigen Fundamentaldaten in gewissen Sektoren sind intakt: Die Nachfrage nach hochwertigen Flächen ist ungebrochen. Bei vielen Nutzungsarten steigen die Mieten sogar.
Etwa im Sektor Mehrfamilienhäuser?
Wir sehen Wohnimmobilien grundsätzlich als eine attraktive Anlageklasse an. In vielen Märkten herrscht ein struktureller Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Die langjährige Wohnungsnot hat sich weiter verschärft, da höhere Hypothekenzinsen und ein Rückgang der Hypothekenvergabe die Nachfrage nach Mietwohnungen erhöht haben, während der Erwerb von Eigenheimen weniger bezahlbar wurde. Positive Trends bei der Haushaltsbildung, besonders in den Städten Europas, mildern auch die Auswirkungen des schwachen Bevölkerungswachstums ab. Zudem wurde die bereits begrenzte Versorgung mit neuem Wohnraum weiter reduziert, hauptsächlich aufgrund der geringen Rentabilität der Entwickler und der Unsicherheit in Bezug auf Mietkontrolle, Energieausweis und Bauregulierungen – also ist das Marktumfeld für den Wohnsektor und andere Wohnformen, wie etwa Student Housing, insgesamt positiv. Doch auch wenn wir das Segment mögen, sind wir selektiv und vermeiden Märkte, die stetigem Regulierungswechsel unterworfen sind. Ferner spielen auch steuerliche Aspekte eine Rolle.
«Heute ist der Zugang zu Auslandsimmobilien dank einer signifikant gestiegenen Anzahl geeigneter Anlageinstrumente viel einfacher ist als in früheren Jahren.»
Wie sehen Sie Büroliegenschaften?
Wir wären hier sehr selektiv. Der Bürosektor hat gelitten und leidet weiter, nicht zuletzt wegen Homeoffice. Doch sind nicht alle Büroimmobilien gleich: Der Bürosektor in den USA befindet sich in einer substanziellen Krise, denn der Trend zu Homeoffice ist dort am stärksten, weshalb wir dieses Segment grundsätzlich meiden. In Europa und Asien unterscheidet sich der Büromarkt stark von Objekt zu Objekt und bezüglich der Lage. Wir bevorzugen qualitativ hochstehende Objekte an besten Lagen mit guten ESG-Charakteristiken, welche den hohen Anforderungen der Mieter genügen. Die diversifizierten Kollektivanlagen, in die wir investiert sind, agieren inzwischen ebenfalls sehr selektiv und fokussieren ihre Investitionen auf andere Sektoren.
Welche Rolle spielen Detailhandelsobjekte in der Allokation der Testina?
Der Detailhandel hat sich nach der Covid-Pandemie leicht erholt. Dies gilt insbesondere für Food-anchored-Retail. Nichtsdestotrotz bleiben die Entwicklungsaussichten nach oben unserer Meinung nach gedämpft. Im Portfolio der Anlagestiftung Testina ist dieses Segment seit jeher stark untergewichtet – und dieses Untergewicht wird auch beibehalten.
Kommen Betreiberimmobilien wie Hotels oder Healthcare-Objekte eher in Betracht?
Unterstützt durch überzeugende demografische und strukturelle, technologiegetriebene Veränderungen haben die alternativen Sektoren in den letzten Jahren in den institutionellen Portfolien vermehrt an Bedeutung gewonnen. Sie tragen zur Diversifikation der Portfolios bei und bieten risikoadjustierte Renditen – dies war in der Vergangenheit so und ist auch künftig zu erwarten. Auch in den alternativen Nutzungsarten sehen wir bedeutendes Potenzial, seien es Student Housing, Alterswohnen, Self-Storage, Data-Center oder andere Nischensektoren. Dabei ist aus unserer Sicht zentral, dass die Zusammenarbeit mit einem Manager erfolgt, der über bedeutende Erfahrung sowie einen überzeugenden Track-Record in diesem Bereich verfügt, da diese Sektoren auch häufig eine bedeutende operative Komponente aufweisen.
Gibt es weitere Sektoren, denen Sie gute Chancen geben?
Die Anlagestiftung Testina investiert einen bedeutenden Teil der Allokation in den Logistiksektor. Infolge der gestiegenen Zinsen sind die Nettoanfangsrenditen in diesem Segment ebenfalls deutlich gestiegen, was den Einstiegszeitpunkt attraktiv macht. Gleichzeitig sind die Fundamentaldaten für den Sektor weiterhin solide: Die Leerstände bleiben auf einem tiefen Niveau; die Mieternachfrage bleibt solide. Angesichts der geringeren Neubautätigkeit aufgrund der gestiegenen Zinsen bleibt auch das künftige Angebot beschränkt, was das Mietwachstum stützen sollte.
Welche Länder oder Standorte und Regionen bieten derzeit aus Ihrer Sicht gute Voraussetzungen für Immobilieninvestitionen?
Generell kann man sagen, dass die aktuelle Marktkorrektur vor allem Europa und die USA betroffen hat. Insbesondere in Grossbritannien und Skandinavien fand das Repricing am schnellsten statt. Die asiatischen Märkte haben seit dem Peak weniger korrigiert als Europa und die USA, die Aufwertung in den Jahren davor fiel jedoch auch weniger stark aus.
Wo würden Sie aktuell am ehesten investieren?
Grundsätzlich sehen wir in allen drei Regionen interessante Investitionsmöglichkeiten, abhängig vom relevanten Segment und der konkreten Investmentopportunität. In allen drei Regionen gibt es attraktive Opportunitäten im Logistiksegment. Während zurzeit in den USA die alternativen Sektoren, wie beispielsweise studentisches Wohnen oder Alterswohnen, interessante Einstiegsmöglichkeiten bieten, eröffnet das Wohnsegment in bestimmten Märkten in Kontinentaleuropa und Grossbritannien attraktive Anlagemöglichkeiten.
Institutionellen Schweizer Anleger und Anlegerinnen wird seit Langem nachgesagt, sie hätten einen starken «home bias». Ändert sich dies inzwischen?
Es ist in der Tat so, dass die Portfolios der Schweizer Pensionskassen in der Schweiz eine bedeutend höhere Allokation ausweisen als im ausländischen Immobilienmarkt. Dieser «Bias» hat sich zwar in den letzten Jahren etwas verringert, bleibt jedoch weiterhin stark. So beträgt die Auslandsquote der Pensionskassen, die an der Swiss-canto-Studie teilnehmen, im Durchschnitt knapp drei Prozent.
Halten Sie dies mit Blick auf die Portfoliodiversifizierung für sinnvoll?
Grundsätzlich ist die internationale Diversifizierung im globalen Immobilienmarkt eine gute Lösung, um die Auswirkungen einer Korrektur des Schweizer Immobilienmarktes zu mildern oder zu reduzieren. Aufgrund der Grösse, aber auch der unterschiedlichen Währungs- und Zinsräume bietet der ausländische Immobilienmarkt eine komplementäre Exposure zu einem bestehenden Schweizer Immobilienportfolio. Heute ist der Zugang zu Auslandsimmobilien – dank einer signifikant gestiegenen Anzahl geeigneter Anlageinstrumente – viel einfacher ist als in früheren Jahren.
Viele Vorteile...
Zu ergänzen wäre: Investments im Ausland bieten die Möglichkeit, an gewissen technologischen, gesellschaftlichen und demografischen Trends zu partizipieren, welche die globalen Immobilienmärkte beeinflussen: die alternde Bevölkerung, die steigende Nachfrage nach Bildung, ein höherer Datenverarbeitungs- und Speicherungsbedarf im Zuge der Digitalisierung und aufgrund künstlicher Intelligenz oder die Reorganisation der Supply Chains aufgrund von «nearshoring». Diese Trends sorgen für einen steigenden Bedarf an den dafür notwendigen Liegenschaften – und an entsprechenden Investitionen.
Diese Trends gibt es allerdings auch in der Schweiz ...
Sicher – doch ist das Anlagespektrum begrenzt. Investments in diesen Bereichen sind im kleinen Schweizer Immobilienmarkt kaum umsetzbar. Nicht zuletzt bieten die aktuellen Marktkorrekturen für Schweizer Pensionskassen einen interessanten Einstiegszeitpunkt, da zu attraktiven Einstiegspreisen investiert werden kann.
(Wir danken «Immobilienbusiness» für die freundliche Genehmigung zum Abdruck des Interviews, das in der Ausgabe 6/2024 erschienen ist.)