Digitalisierung im Betrieb —
steile Lernkurve
Interview: Mike Siering / Bild: Gian Marco Castelberg
Christian Wenger leitet bei Pensimo den Bereich Real Estate Operations. Mit seinem Team setzt er Standards für die Bewirtschaftung, sichert die Servicequalität und treibt die Digitalisierung der «Customer Journey» bei der Vermietung voran. Im Interview gibt er Auskunft über Chancen und Herausforderungen der digitalen Entwicklung im Betrieb und erklärt, warum sein Fokus auf Kunden und Kosten liegt.
Christian Wenger
Leiter Real Estate Operations
Mitglied der Geschäftsleitung
christian.wenger@pensimo.ch
Digitalisierung ist ein strategisches Thema der Pensimo. Wie wichtig ist das Thema für die Bewirtschaftung?
Gerade in unserem Fachbereich ist es bereits seit mehreren Jahren ein sehr wichtiges Thema. Es geht darum, die bekannten analogen Prozesse in digitale zu überführen. Bis heute sind wir hier bereits viele Schritt vorangekommen. Das Thema Digitalisierung ist und bleibt ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit, mit der wir unsere Bewirtschafterin «Regimo» unterstützen.
Von PropTech-Lösungen versprechen sich die Bewirtschaftungsunternehmen mehr Effizienz, weniger Kosten und im besten Fall die Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Was sind eure Ziele?
Was uns vor allem wichtig ist, ist die Kundenzufriedenheit, die im Vordergrund steht. Wir stellen unseren Mieterinnen und Mietern digitale Technologien zur Verfügung, damit sie mit der Bewirtschaftung unabhängig von Bürozeiten kommunizieren können. Eine Rolle spielt dabei natürlich der Gedanke der Effizienz, der immer auch Treiber dafür ist, dass man analoge Prozesse – wie zum Beispiel der Onboarding-Prozess von Mieterinnen und Mietern – digitalisiert. Unser Ziel ist ein durchgängiger digitaler Prozess von der Bewerbung über die Registrierung bis zur Erstellung und Ablage des Mietvertrags im Bewirtschaftungssystem. Dass sich das am Schluss auch positiv auf die Kosten niederschlägt, ist klar. Aber erst, wenn wir digitale Lösungen auch entsprechend skalieren können. Wir wollen in diesen Themen eine starke Stellung in einem Markt einnehmen, in dem sich viele Mitbewerber tummeln.
Gehen die Effizienz- und Kostenüberlegungen nicht zulasten der Mieter, wenn der persönliche Kontakt mit der Bewirtschaftung reduziert wird?
Der persönliche Kontakt zur Mieterschaft ist immer wichtig. In vielen Alltagsbereichen ist man sich heute gewohnt, über andere Kanäle mit verschiedenen Dienstleistern zu kommunizieren. Wir wollen den Mieterinnen und Mietern die Möglichkeit geben, auf digitalem Weg jederzeit und unmittelbar mit der Bewirtschaftung in Kontakt zu treten und ihr Problem zu schildern – ohne auf Öffnungs- oder Telefonzeiten Rücksicht nehmen zu müssen. Es gibt aber Touchpoints in der Kundenreise, da ist der persönliche Kontakt natürlich zentral: beispielsweise bei einer Wohnungsbesichtigung oder der Wohnungsübergabe. Und grundsätzlich schliessen digitale Angebote ja nicht aus, dass auch ein persönlicher Kontakt möglich ist. Aber alltägliche Probleme lösen wir heute schneller und effizienter, wenn wir auf digitale Lösungen setzen.
Werden wir konkret: Eure eigene Regimo-App beispielsweise ist ein zentrales Kommunikationsmittel zwischen Bewirtschafter und Mietenden. Was kann die App?
Die Regimo-App unterstützt die Interaktion zwischen der Mieterschaft und der Bewirtschaftung. Bei Pensimo haben wir eine hundertprozentige Abdeckung über das gesamte Wohnportfolio. Mit der App kann die Bewirtschaftung den Mieterinnen und Mietern sehr schnell Informationen weiterleiten – beispielsweise, wenn ein Lift oder eine Heizung ausfällt oder jemand Betriebsferien hat. Dafür musste man früher erst ein aufwändiges Rundschreiben erstellen und verteilen. Auf der anderen Seite dient die App auch der Vernetzung der Mieterschaft untereinander, zum Beispiel, wenn sich Mieterinnen und Mietern über eine Pinwand austauschen. Bei grösseren Arealen bietet die App weitere Möglichkeiten, zum Beispiel hinsichtlich Mobilitäts- und Sharing-Lösungen, beim Thema Umzug oder bei der Paketlieferung: Wird ein Paket in der Paketbox deponiert, geht eine Push-Mitteilung an den Adressaten raus, dass ein Päckchen hinterlegt ist, das in den nächsten drei Tagen abgeholt werden kann. Die App bietet viele solcher smarten Lösungen, die den Mietenden im Alltag unterstützen.
Ein weiteres Thema sind elektronische Zugangssysteme? Wo liegen ihre Vorteile? Was können Badges und Apps besser als der herkömmliche Schlüssel?
Da steht die ganze Schweizer Immobilienwirtschaft – zum Teil im Vergleich zum Ausland – noch ziemlich am Anfang. Im Moment setzen wir besonders bei Wohnliegenschaften noch vorrangig auf mechanische oder mechatronische Schliesssysteme. Kaum jemand setzt hier im Moment bereits auf rein digitale Systeme. Bei Arealentwicklung setzen wir digitale Zutrittssysteme bereits bei Hauptzugängen für gemeinschaftlich genutzte Räume und Flächen, wie Gästezimmer oder Dachterrasse, ein. Geplant ist, dass wir bald ein Pilotprojekt starten, wo wir das digitale System durchgängig einsetzen, um entsprechende Erfahrung sammeln und auswerten zu können. Die Vorteile liegen auf der Hand: Mittels App kann beispielsweise leicht – auch temporär beschränkt – der Reinigungskraft, dem Babysitter oder den Kindern Zutrittsrechte gewährt werden. Bei gewerblichen Büro- oder Gewerbebauten sind wir hier heute bereits weiter, auch weil das Thema oft seitens Mieterschaft forciert wurde. In neuen oder erneuerten Geschäftshäusern sind digitale Zutrittslösungen heute gang und gäbe.
In vielen Neubauten zum Standard werden digitale Paketsysteme. Wo sind die Vorteile? Gibt es auch Probleme?
In urbanen Regionen stellen wir diese Lösung gerade in Neubauten heute konsequent zur Verfügung. Viele Pakete kommen dort abhanden, wenn sie frei zugänglich im Hauseingang platziert werden. Hier kann die verschliessbare Paketbox Abhilfe schaffen, wenn ich beim Lieferdienst – und das ist heute nicht mehr nur die Post – die Auslieferung in die Box anmelde. Die Frequenz der Nutzung der Boxen ist jedoch sehr unterschiedlich. In unserem Neubauquartier «Ziegeleipark Horw» zum Beispiel ist das Paketvolumen, das jeden Tag auf die junge Bewohnerschaft wartet, so hoch, dass die Paketboxanlage an ihre Grenzen stösst. Die Kuriere empfinden es oft als zu aufwändig, die vielen Pakete – diese sind für die Boxen zum Teil auch zu gross – einzeln zuzuordnen. So werden viele Päckchen wie früher einfach im Eingangsbereich deponiert. Es ist also auch ein Thema, bei der wir die Bewohnerschaft sensibilisieren müssen. Wichtig: Hier geht es nicht nur um die Paketbox selbst, sondern darum, die Eingangssituation insgesamt zu optimieren. Das Paketbox-Display kombinieren wir mit der Wohnungsklingel oder mit dem nach wie vor nützlichen Milchkasten. Es handelt sich um ein integriertes System.
Kommen wir zum Thema Nachhaltigkeit. Können digitalen Lösungen im Betrieb einen Beitrag leisten? Beispielsweise mit Betriebsoptimierungen von Heizungssystemen wie ECCO2?
Die Vorgabe ist klar: emissionsfrei zu sein bis spätestens 2050. Der Neubau ist hier ja weniger die Herausforderung als der Bestand. Neben der energetischen Sanierung von Gebäudehülle und Ersatz des Heizsystems spielt die Betriebsoptimierung bestehender Systeme – wir setzen hier insbesondere auf das System ECCO2 – eine grosse Rolle. Hier kann man schnell Wirkung erzielen. Sind die entsprechenden Systeme installiert und liefern die erforderlichen Daten, können die Heizungssysteme automatisch – ohne manuelle Eingriffe durch die Hauswartung – justiert und so werden optimiert. Allein durch diese Systeme sparen wir jährlich bis zu 20 Prozent Energie – und das unmittelbar. Aber auch ECCO2 ist nur ein Puzzleteil in Hinblick auf die Dekarbonisierung unserer Portfolios.
Thema Elektromobilität: Die Quote der E-Autos ist immer noch klein. Ein Hemmnis sind fehlende Ladeinfrastrukturen in Mietliegenschaften. Was ist die Devise seitens Eigentümerschaft Pensimo?
Das war uns schon vor fünf Jahren ein Anliegen, als sich abzeichnete, dass die Akzeptanz der Elektromobilität deutlich zunimmt. Sobald ein Mieter oder eine Mieterin ein Anliegen in dem Bereich meldet, prüfen wir den Ausbau der Infrastruktur auf eigene Kosten und können das in dem meisten Fällen auch realisieren. Pensimo übernimmt auch hier ihre Verantwortung. Bei Neubauten rüsten wir bereits einen Teil der Stellplätze von Beginn an mit Ladestationen aus oder bereiten die Installation so vor, dass sie bei Bedarf einfach zu ergänzen ist. Derzeit stagniert die Nachfrage nach Ladestationen bei der Mieterschaft und wir stellen eine gewisse Zurückhaltung fest. Nichtsdestotrotz werden wir die Mieterinnen und Mieter hier auch in Zukunft rasch und unkompliziert unterstützen.
Bei der kürzlich sehr erfolgreichen Erstvermietung des «Längsbau» im neuen Regensdorfer Quartier Zwhatt hat Pensimo auf eine Mietkaution verzichtet und stattdessen auf eine digitale Lösung gesetzt. Wie funktioniert das genau?
Hier ist der Kontext wichtig. Diese Lösung ist Teil der Digitalisierung des gesamten Onboardings neuer Mieterinnen und Mieter: von der Wohnungsbesichtigung über die Bewerbung bis zur Unterzeichnung des Mietvertrags. Das Thema Mieten ohne Kaution ist Bestandteil des digitalen Mietvertrags. Mieten ohne Kaution erlaubt uns einen Mietvertrag innerhalb einer Stunde abzuwickeln – und zwar von der Bewerberprüfung bis zur Unterzeichnung. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Kosten. Das Prinzip ist einfach: Mit einer kollektiven Versicherung, die Pensimo abgeschlossen hat, ist jeder Mietvertrag, der neu unterschrieben wird, automatisch versichert. Die Versicherung springt dann im Rahmen von 2 Monatsmieten ein, falls der Mieter oder die Mieterin eine etwaige Schadenssumme nicht deckt. Die Mieterschaft muss kein Geld mehr auf einem Sperrkonto blockieren. Ähnliche Modelle gibt es zwar bereits als Einzelfalllösungen, sie sind aber verhältnismässig teuer. Eine Kollektivversicherung ist hier viel günstiger. Eine smarte Lösung – und eine Win-Win-Situation für Mieterschaft und Vermietung.
«Künstliche Intelligenz wird die Kommunikation mit den Mieterinnen und Mietern stark verändern. Auch in der KI-gestützten Auswertung und Verarbeitung von Daten sehe ich noch grosses Potenzial.»
Als Vorzeigeprojekte der Pensimo hinsichtlich moderner Bewirtschaftungslösungen gelten die Stadtsiedlung Reitmen in Schlieren und der Ziegeleipark in Horw. Kannst du uns ein bisschen was zu den beiden Liegenschaften erzählen? Welche digitalen Lösungen konntet ihr dort einsetzen?
Grundsätzlich ist jedes Projekt anders. Bei der Stadtsiedlung Reitmen in Schlieren stehen die sozialen Themen, Community-Building und Kommunikation, im Fokus. Wir haben dort Siedlungscoachs, die die Mieterschaft begleiten und beispielsweise mit dieser einfach und schnell mittels App kommunizieren können. Dass ist ein Baustein, um die Community zu aktivieren. Ein weiteres Beispiel für digitale Lösungen gibt es beim siedlungseigenen Gemeinschaftsraum, den man via App unkompliziert für Gruppen- oder Privatanlässe reservieren kann. Die App generiert dann auch gleich einen digitalen Schlüssel, mit dem man den Raum im reservierten Zeitraum betreten kann. Beim Ziegeleipark in Horw ist wiederum das Thema Mobilität sehr wichtig. Weil es im Verhältnis zur Anzahl der Wohnungen nur wenige Stellplätze gibt, haben wir dort einen Mobilitätshub installiert. Via App sehen die Mieterinnen und Mietern sofort, ob die gemeinschaftlichen Lastenvelos oder E-Fahrzeuge gerade frei sind, und können diese dann für einen bestimmten Zeitraum buchen und bezahlen. Wer keinen der raren Privatparkplätze in Anspruch nimmt, erhält Gutschriften für die Buchung der Sharing-Flotte. Unsere Erfahrungen aus Schlieren und Horw sind in spätere Projekte eingeflossen beziehungsweise finden Berücksichtigung in laufenden Projekten – wie bei unseren grossen Arealentwicklungen in Bussigny oder Regensdorf.
Wagen wir zum Schluss einen kleinen Ausblick: Wo geht die digitale Reise in der Immobilienwirtschaft hin: Wird künstliche Intelligenz eine grössere Rolle spielen? Wenn ja, wo?
Da wäre zunächst einmal generell das Thema Daten zu nennen, die immer wichtiger werden. Gerade was deren Austausch und offene Schnittstellen anbelangt, ist hier noch viel Luft nach oben. Hier werden wir mit den Partnerinnen und Partnern in unserem Ökosystem noch effizienter werden müssen. Wo wir bereits gut unterwegs sind, sind die konkreten digitalen Lösungen, wie die erwähnte Mieter-App. Hier werden nun bereits erste Funktionen integriert werden, die auf künstlicher Intelligenz basieren. Die KI analysiert eine Mieteranfrage – zum Beispiel bei einem Schlüsselverlust – und schlägt dann dem Bewirtschaften massgeschneiderte Antworten vor, aus denen er die am besten geeignete auswählt. Auch bei der KI-gestützten Auswertung und Verarbeitung von Daten steckt noch viel Potenzial. Da werden wir noch viele Fortschritte sehen.
Wir haben gesehen: Das Feld der digitalen Lösungen ist breit. Welche Schwerpunkte wollt ihr mittelfristig setzen?
Die Basis muss immer eine klare Digitalisierungsstrategie sein, die die Haltung eines Unternehmens zur Digitalisierung ausdrückt. Daraus leiten sich Schwerpunkte und konkrete Massnahmen ab. Man kann und soll nicht überall dabei sein. Ich sehe unsere Schwerpunkte einerseits da, wo wir nahe beim Kunden dessen Bedürfnissen noch besser entsprechen können, und andererseits dort, wo wir durch verbesserte Effizienz Ressourcen und Kosten sparen. Hier hat Pensimo den Vorteil, dass sie durch die Regimo-Beteiligungen nahe an der Bewirtschaftung und dadurch nahe beim Kunden, bei der Kundin ist. Wir haben ein gemeinsames Verständnis, was Dienstleistungs- und Servicequalität anbelangt – und entwickeln zusammen digitale Lösungen. Man muss ein klares Zielbild vor Augen haben und sich zugleich immer wieder fragen: Wie will ich mit meinem Kunden und meiner Kundin umgehen? Was ist mir wirklich wichtig? Nur so behält man den Fokus.
Zu guter Letzt: Hast Du aktuell ein Lieblingsprojekt im Pensimo-Portfolio, was dein Team hinsichtlich des digitalen Betriebs gerade besonders herausfordert?
Da möchte ich die bereits erwähnten Grossprojekte «Coté Gare» in Bussigny und «Zwhatt» in Regensdorf nennen. Was die Digitalisierungsstrategie anbelangt, ist Coté Gare eine Art Vorläuferin von Zwhatt. In Bussigny kamen viele Themen zusammen und wir hatten alle ein sehr breites Lernfeld: auf Seiten Bau und Entwicklung, im Portfoliomanagement und im Real Estate Operation. In Regendorf machen wir weniger Fehler, weil wir bereits auf einer besseren Grundlage entscheiden. Aber im Endeffekt muss ein Projekt auch erst einmal in Betrieb gehen, um zu sehen, was funktioniert gut und was weniger. Wichtig ist, dass die Learnings unmittelbar in neue Projekte einfliessen. Unsere Lernkurve in der Digitalisierung ist jedenfalls steil.
Viel Erfolg und herzlichen Dank für das Interview, Christian.