Neubau Birsfelden —
Wohnüberbauung Gempenstrasse
Interview: Mike Siering / Bilder: Gian Marco Castelberg
Marc Derron hat die Projektentwicklung in der Baselbieter Gemeinde Birsfelden geleitet. Im Interview gibt er Auskunft über das besondere Erscheinungsbild der hofartigen Wohnliegenschaft und beantwortet unter anderem die Fragen: Warum zahlen sich Investitionen in Sorgfalt und Qualität aus? Und warum lohnt es sich, vermehrt neue Wohnungstypologien zu wagen?
Nähert man sich der Wohnsiedlung Gempenstrasse in Birsfelden, fällt einem bereits von Weitem die Holzfassade und die Farbgebung auf? War es Absicht, hier in der Agglomeration der Stadt Basel einen sichtbaren Akzent zu setzen?
Farbe und Materialisierung haben sich im Laufe des Prozesses entwickelt. Die Architekten haben im Rahmen des Studienauftrages einen Vorschlag gemacht, der uns sehr gefallen hat. Über die Nuancen der Farbigkeit und die Wirkung der Fassade haben wir uns dann gemeinsam vor Ort unterhalten und entschieden. Für Holz als Fassadenmaterial gibt es sicher naheliegende Farben, wenn wir beispielsweise auf die schwedische Tradition schauen. Die gewählten Farben sind, wenn man so will, für Holz-Architektur typische Farben.
Die Stimmung im Hof erinnert ein bisschen an einen Dorfplatz, eine Begegnungszone für die Bewohnerinnen und Bewohner.
Das ist natürlich schon das, was das Projekt auszeichnet. Wir haben hier einen sehr starken, identitätsstiftenden Ort geschaffen. Der Abstufung zwischen Aussenräumen mit grosser Öffentlichkeit, den gemeinschaftlichen für die Hausbewohnenden und den ganz privaten Gärten wurde grosser Beachtung geschenkt. Das gefällt mir persönlich sehr an dem Projekt. Hinzu kommt die feine Höhenentwicklung der Gebäude durch die umlaufenden Laubengänge, die quasi stationäre Einheiten bilden. Die Liegenschaft bietet alles, damit eine Hausgemeinschaft entstehen kann.
Die beiden Wohnriegel bilden einen klassischen Hof, über den die Erschliessung erfolgt. Eine Lösung, die sich vom städtebaulichen Umfeld aufgedrängt hat?
Wir sind in einem Gebiet, das in Transformation ist. Das ursprünglich recht homogene Bebauungsmuster aus Gebäudereihen und -zeilen wird zusehends heterogener. Neue Punktbauten lehnen sich an das Bebauungsmuster der bestehenden Hochhäuser in unmittelbarer Nachbarschaft an. Und unsere Überbauung ist ein weiterer, selbstbewusster Baustein des Quartiers. Die Umgebung und die Form der Parzelle legen die städtebauliche Hoflösung sicher nahe. Alternativ wäre ein einzelner Riegel möglich gewesen, der aber zu einer sehr grossen Gebäudetiefe geführt hätte, die schwierig zu organisieren gewesen wäre. So haben wir zwei schmale Riegel auf dem Grundstück platziert, die einen Hof aufspannen. Der Zugang zu den Wohnungen erfolgt von der gemeinschaftlich genutzten Mitte und die privaten Aussenräume sind nach aussen gerichtet. Aus dieser Grunddisposition heraus leitet sich dann Vieles ab, was das Projekt ausmacht.
Die Gebäude haben eine hybride Struktur: Die Planenden haben Massivbau und Holzbauelemente kombiniert. Warum?
Das Projekt stammt von 2019. Die Themen Holzbau, CO2-Emissionen und Nachhaltigkeit hatten noch nicht die Selbstverständlichkeit wie heute, fünf Jahre später. Heute würden wir vermutlich prüfen, das Gebäude komplett als konstruktiven Holzbau zu erstellen. In diesem Sinne ist die hybride Konstruktion sicher ein Übergangsprojekt. Die tragende Struktur ist Massivbau und die Hülle aus Holz. Einen ähnlichen Hybridbau haben wir in der Anton-Higi-Strasse in Zürich.
Auffällig ist die Präzision der Ausführung und die Liebe zum Detail, die man gerade an Materialübergängen spürt. Wie konntet ihr diese Präzision erreichen?
Es müssen vor allen Dingen die richtigen Planer am Werk sein. Architektinnen und Architekten, die mit dieser Liebe zum Detail arbeiten und etwas Überdurchschnittliches realisieren wollen. Das ist wirklich der Verdienst des Basler Büros «nord Architekten». Ein solches Engagement ist wunderbar. Es ist schön, am Schluss Eigentümer einer so präzise geplanten und ausgeführten Liegenschaft zu sein. Das Projekt ist aber auch konzeptionell sehr sensibel, was sich an vielen kleinen Details zeigt. Beispielsweise befindet sich an der Aussenseite zum Küchenfenster immer eine Sitzbank, wo du, wenn du heimkommst, deine Schuhe ausziehen kannst. Eine simple, aber ungewöhnliche und nützliche Lösung.
Kommen wir zum Standort? Was habt ihr dort vorgefunden?
Hier stand ein klassischer, dreigeschossiger 50er-Jahre-Bau, wie man ihn zuhauf überall in der Schweiz antrifft. Es hatte dementsprechend einiges Ausnutzungspotenzial auf der grossen Parzelle, die mit schmalen Reihen bebaut war. Als der nächste grössere Sanierungszyklus anstand, haben wir dann die möglichen Optionen genauer untersucht.
Ihr habt euch für einen Ersatzneubau entschieden. Warum?
Wir prüfen heute immer, ob wir bestehende Gebäude oder Teile davon weiterverwenden können. Unsere Erfahrung aus Studienaufträgen mit vergleichbar filigranen Gebäudetypologien, wie wir sie hier vorgefunden haben, zeigt aber, dass wir diese spezifischen Strukturen nicht mit befriedigendem Ergebnis transformieren können. Daher war der Ersatzneubau in diesem Fall die richtige Lösung.
Welches Planerwahlverfahren habt ihr genutzt?
Wir haben einen Studienauftrag durchgeführt mit einer entsprechend unabhängigen Jury. Ein externes Planerbüro hat den Prozess begleitet. Bei Projekten dieser Grösse und Bedeutung ist das bei Pensimo Standard. Das hat sich für uns bewährt. Durch die verschiedenen Vorschläge der teilnehmenden Büros lernt man für das Projekt dazu – und ist durch den Vergleich der möglichen Varianten dann auch wirklich überzeugt von der Lösung, die man am Schluss auswählt. Oft sind es dann eben gerade nicht die offensichtlichen Lösungen, bei denen du schon am Anfang das Gefühl hast, das wird das Siegerprojekt sein. Vielmehr findet man erst durch die Diskussion zum richtigen Produkt – und das ist nicht unbedingt das Naheliegendste.
Gab es besondere Herausforderungen beim Standort oder beim Verfahren?
Beim Standort eigentlich nicht. Die vorgefundene Situation war grundsätzlich nicht kompliziert. Es waren eher kleinere «technische» Themen, die uns beschäftigt haben, wie der Umgang mit der angrenzenden Grünzone. Vom Produkt her schauen wir immer, dass wir einen vielfältigen Wohnungsmix haben. Genauso wichtig ist, dass Wohnungslayout und Grösse für den jeweiligen Standort und das Zielpublikum passen.
Thema Nachhaltigkeit: Wie nachhaltig ist der Bau?
Wir hatten hier einen Experten, der die Wettbewerbsbeiträge hinsichtlich Nachhaltigkeit verglichen hat. Pensimo hat eine Nachhaltigkeitsstrategie, auf die wir uns natürlich auch bei solchen Projektentwicklungen stützen. Ein bestimmtes Label zu erreichen, ist nicht unbedingt das primäre Ziel, sondern jeweils die individuell richtigen Massnahmen umzusetzen. Eine CO2-freie Energieversorgung ist ja bei einem solchen Neubau Standard. Das haben wir natürlich auch beim Neubau an der Gempenstrasse umgesetzt.
Gab es Überlegungen und Angebote im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit?
Wichtig war uns schon im Studienauftrag, dass die Teilnehmenden sehr sorgfältig darüber nachdenken, wie man Räume für Begegnung schaffen kann. Wie bereits dargelegt, haben wir in der realisierten Lösung genau diese Angebote in den sorgfältig gestalteten gemeinschaftlichen Aussenräumen realisiert. Wie solche Angebote angenommen werden, hängt immer von der Konstellation der Bewohnerschaft ab. Je nachdem in welcher Lebensphase sich die Mieterinnen oder Mieter befinden, wird sich eine mehr oder weniger aktive Gemeinschaft entwickeln. Mit der Überbauung sind ja insbesondere Familien angesprochen. Und die tragen eigentlich immer viel zu einem Gemeinschaftsleben bei.
Wer wohnt in der Überbauung?
Im Detail weiss ich es nicht, aber wie bereits erwähnt sind es sicher viele Familien oder Wohngemeinschaften, die in den grossen Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss wohnen. Darüber sind Wohnungen für Ein- bis Zwei-Personen-Haushalte. Also eigentlich eine gute Mischung.
«Wir Investoren sollten den Mut haben, auch spezielle Wohnungstypen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Das Ziel, ein Produkt zu entwickeln, das für alle passen soll, bringt niemals gute Resultate hervor.»
Welche Wohnungstypen gibt es?
Im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss gibt es zweigeschossige Wohnungen, die mehr sind als klassische Maisonette. Es sind fast schon Reihenhäuser. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben einen direkten Zugang vom Hof her und private Gärten auf der rückwärtigen Seite. Es gibt sogar direkte Abgänge von ihren Wohnungen in die jeweiligen Keller. Das fühlt sich für die Mieterinnen und Mieter an, wie ein Reihenhaus, eine bei Familien sehr beliebte Wohnform, die man heute kaum auf dem Markt findet. Grundsätzlich finde ich, dass wir Investoren den Mut haben sollten, auch spezielle Wohnungstypen auf den Markt zu bringen. Das Ziel, quasi ein neutrales Wohnungsprodukt zu entwickeln, das für alle passen soll, bringt niemals gute Resultate hervor. Das ist ja das Spannende daran, wenn du ein neues Projekt entwickelst. Je spezifischer und präziser das Produkt ist, desto länger bleiben die Mieterinnen und Mieter, für die Produkt passt.
Man spürt, dass den öffentlich zugänglichen und den privaten Aussenräumen – Hof, Gemeinschaftsterrassen, Laubengänge, Gärten – viel Beachtung geschenkt wurde. Kannst Du darüber etwas erzählen?
Wir wissen, wie wichtig den Mieterinnen und Mietern gute private Aussenräume wie Gärten oder Balkons sind. Neben der eigenen Waschmaschine, glaube ich, gehört das zum Wichtigsten für viele Mietenden. Das verantwortliche Architekturbüro hat das bereits im Studienauftrag sehr gut umgesetzt. Die privaten Gärten sind ein wichtiger Teil der Reihenhäuser. Wie sich die Bewohnerschaft die privaten und gemeinschaftlichen Freiräume nun aneignet, wird sich zeigen. Die Voraussetzungen dafür sind jedenfalls sehr gut.
Wie werden die Aussenräume von den Bewohnerinnen und Bewohnern angenommen?
Es ist noch zu früh, um das abschliessend sagen zu können. Schauen wir, wie es sich entwickelt. Gerade bei den gemeinschaftlichen Flächen spielt es auch eine Rolle, dass eine Bewirtschaftung und ein Hauswart die Aneignung am Schluss auch zulassen. Wir als Eigentümerin sind uns sehr bewusst, dass wir die Wohnqualität auch mit gut gestalteten gemeinschaftlichen Aussenräumen beeinflussen können. Was die Nutzung der privaten Freiräume angeht, ist es immer auch wichtig, dass sich die Mieterinnen und Mieter auch abgrenzen können. Dazu haben wir beispielsweise Vorhänge vorgesehen, mit denen man den persönlichen Aussenraum noch besser schützen kann, wenn man das Bedürfnis hat.
Zur Wirtschaftlichkeit: Wie habt ihr die Liegenschaft positioniert: Wie sieht das Mietpreisniveau aus?
Es ist ein mittleres Preisniveau für einen Neubau, das natürlich höher ist als im alten Bestandsbau. Es ist aber sicher kein Luxusobjekt. Wir suchen Mieterinnen und Mieter, die langfristig bleiben können und wollen. Liegt eine Wohnung deutlich über dem mittleren Preisniveau, steigt auch das Risiko von vermehrten Mieterwechseln. Das wollen wir vermeiden.
Konnte die Liegenschaft rasch vermietet werden?
Ja. Im Einzugsgebiet der Stadt Basel ist ein Produkt wie dieses sehr gut vermietbar. Die Familien-Maisonettes konnten innert weniger Tage vermietet werden. Das Interesse an der Liegenschaft war generell sehr gross. Wenn man eine so gute Qualität im Einzugsgebiet einer Grossstadt lanciert, braucht es nicht allzu viel Werbung.
Eine sorgfältige Planung, die präzise Materialisierung und Ausführung kostet. Ist es ein teurer Bau?
Es ist im Vergleich sicher ein etwas teurer Bau als Vergleichbare. Es sind schmale Baukörper mit einer relativ grossen Oberfläche, und die Gebäude haben eine hohe Material- und Ausführungsqualität. Das ist nicht gratis. Die sorgfältige Konstruktion zahlt sich aber aus. Qualität ist auch langlebiger und produziert weniger Unterhalt. Wenn die Wohnungen nicht zu gross sind, stimmen am Ende sowohl der Mietpreis als auch die Rendite.
Also lohnt sich die Investition in Qualität?
Ja, absolut. Davon bin ich überzeugt.
Herzlichen Dank für das Interview, Marc.